Der Radiobeitrag des SRF, der im Echo der Zeit zu hören war, ordnet gleich zu Beginn das heutige Urteil in den Kontext der Vergangenheit ein. Das ist richtig und wichtig zum Verständnis des Falles. Wenngleich der Titel des Beitrags Keine Verwahrung für „Carlos“ klar macht, dass man beim SRF noch immer von Brian und „Carlos“ in austauschbarer Abwechslung sprechen zu können meint.
Doch der erste Satz des Beitrags versucht dann richtig zu stellen:
Der Fall heisst Carlos, der Mann eigentlich Brian.
Im Anschluss aber wird summarisch nachgezeichnet, wie die öffentliche Empörung über diesen Fall „Carlos“ hochkochte, ohne die Rolle zu erwähnen, welche SRF und andere mediale Akteur:innen dabei inne hatten.
Eine bequeme Verkürzung aus der Perspektive des SRF, denn in dieser Rolle stecken bis heute bedeutsame unbequeme Wahrheiten. Die Empörung über Brians Sondersetting, die rassistischen Beleidigungen, die fremdenfeindlichen Stereotypen von Gewalt und Kriminalität gehen ursächlich auf die Art der Darstellung im SRF-Dokumentarfilm zurück. Und all dies wirkt bis heute weiter:
Dass Brian als dermassen gewalttätig, gefährlich und renitent gezeichnet und als solcher beurteilt (und verurteilt) wird, erklärt sich aus den rassistischen Deutungsmustern um „Carlos“. Dazu war von SRF bisher nichts zu hören, sehen oder lesen.
Dieser öffentlich-rechtliche Sender stand am Ursprung des medialen und politischen Mythos „Carlos“. Und dieser öffentlich-rechtliche Sender masst sich weiterhin an über Brian zu berichten, ohne seine eigene Rolle zu reflektieren. Diese Unschuldsmiene steht dem SRF nicht gut an. Angemessener wäre eine kritische Auseinandersetzung damit, wie man als Medium stereotype Deutungsmuster nicht reproduziert und rassistische Narrative nicht weiterverbreitet. Besonders nicht die, die man selber in die Welt gesetzt hat.