In 20 Minuten war wie in einigen anderen Zeitungen zu lesen, dass die UNO wegen verletzter Menschenrechte in Brians Fall interveniere. Man gab sich dabei Mühe Brian und «Carlos» nicht durcheinander zu bringen. Der gewählte Ansatz um diese Klarheit herzustellen, ist jedoch nicht hinreichend.
Brian (früher bekannt als Carlos)
Die Abgrenzung zwischen Brian und «Carlos» kann nicht auf die Zeitlichkeit beschränkt bleiben. Wenn nicht berücksichtigt wird,dass mit «Carlos» Stereotypen und Vorverurteilungen einhergehen, die für Brian bis heute Konsequenzen haben, ist die Abgrenzung unzulänglich. Es ist einwesentlicher Unterschied ob eine Person unter einem Pseudonym lediglich «bekannt»war, oder ob sie diffamiert, rassistisch beleidigt und ohne rechtliche Grundlage in Haft genommenwurde.
Und jede Differenzierung ist ohnehin sinnlos, wenn man offenbar bemüht ist, die Leser:innenschaft daran zu erinnern, dass sie es hier immer noch mit «Carlos» zu tun hat. Ohne inhaltlichen Bezug zum Rest des Artikels, wird die Anekdote einer vandalisierten Tür eingestreut.
Die Strafbehörden verlegten BrianEnde Oktober 2020 in einen Spezialtrakt für gewaltbereite Häftlinge in derStrafanstalt Pöschwies, wo er schon am ersten Tag die Türe seiner Zelledemolierte. DieZelle kostete 1,85 Millionen Franken und sollte laut der Strafanstalteigentlich unzerstörbar sein.
Das Narrativ des gefährlichen und in diesem Fall noch übermenschlich starken Gewalttäters wird damit fast en passant noch einmal bekräftigt. Woher dieses Narrativ stammt und welche rassistischen und menschenverachtenden Bedeutungen es trägt, wurde offenbar nicht reflektiert. Medienschaffende scheinen sich ihrer Verantwortung in diesem Zusammenhang bewusst nicht durchgehend bewusst zu sein. «Carlos»ist ein rassistischer, medialer Mythos. Nicht mehr «Carlos» zu sagen, aber immer noch «Carlos» zu meinen, ändert an der fortgesetzten Stereotypisierung noch nichts.